Entfrorene Zukunft https://notebookoper.de - die notebookoper - Sun, 11 Oct 2015 10:34:23 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.3.14 Made in Hessen 100% Theater /made-in-hessen-100-theater/ Mon, 04 May 2015 13:56:14 +0000 http://dev.notebookoper.de/?p=144

Die nächste Aufführung der Entfrorenen Zukunft:

Festival „Made in Hessen 100% Theater
laProf
Landesmusikakademie Hessen,
36110 Schlitz, Gräfin – Anna- Straße 4
Dauer: 80min

Datum:
12.12.2015
Beginn: 20 Uhr
Einführung: 19:30Uhr

]]>
Interview mit Corinna Tetzel /interview-mit-corinna-tetzel/ Wed, 29 Apr 2015 09:22:54 +0000 http://dev.notebookoper.de/?p=124

Fünf Fragen an die Regisseurin Corinna Tetzel vom Komponisten  und Librettisten der „ENTFRORENEN ZUKUNFT“

Wulf Berk:
Was war dein erster Eindruck, als du den Mitschnitt zum ersten Mal hörtest ?

Corinna Tetzel:
Prägend waren für mich von Anfang an der Klang des digitalen Orchesters sowie die rhythmische Exaktheit – der zeitlich absolut fixierte Ablauf, den so nur ein Computerprogramm garantieren kann. Das Einzigartige im Zusammenwirken von Sängern und Orchesterapparat ist ja das Live-Moment, d.h. Musizieren als Austausch, als ständiger Prozess, der durch gegenseitige, auch spontane, Reaktionen erst seine dramatische Schlagkraft erhält. In der “Entfrorenen Zukunft“ fehlt diese Interaktion auf Augenhöhe. Es ist – wie mittlerweile im Leben auch: der Computer (das Internet) gibt eine Lebenswelt vor, die Menschen saugen sie auf und versuchen sich darin selbst zu verwirklichen. Das geschieht oftmals ohne Befragung derselben, denn wo lassen sich in dieser pluralisierten Welt noch Kriterien finden, nach denen man urteilen kann? Es hat mich von Anfang an interessiert, herauszufinden, wie die Sänger mit dieser Form der musikalischen Fremdbestimmung umgehen und welche Konsequenzen für die Verkörperung einer Figur daraus resultieren. Lässt sich eine Identität herstellen, wenn die Abhängigkeit von der Computerwelt nicht hinterfragt wird? Das Faszinierende ist, dass im Verlauf des Stücks unter der Folie der technischen Durchorganisation das Wunderbare am Menschsein durchscheint.

Wulf Berk:

Dem Libretto geht eine gedachte Vorgeschichte voraus: Ein alterndes Ehepaar spricht über die Problematik der Kinderlosigkeit im Alter. Besonders der Mann findet es unerträglich, sich nicht reproduziert zu haben, dass von ihm nichts bleibt. Fantasien von Samenbänken und Kältekammern bedrängen ihn. Als Entlastung träumt er seine “Entfrorene Zukunft”. Wie kamst du auf die Idee diese Entlastungsmärchen auf völlig neue Füße zu stellen?

Corinna Tetzel:

Zunächst einmal muss ich gestehen, dass mir diese Vorgeschichte in ihrer Ausführlichkeit nicht bekannt war. Aber natürlich ist der Blick in die Zukunft, das Gestalten einer Zukunft als schöpferischer Akt, das große Thema der Oper. Auch in unserer szenischen Interpretation ist es der Mann, der sich in die fiktive Welt der “Entfrorenen Zukunft“ begibt, in dem er zunächst eine Welt von Kältekammern entwirft, in denen Menschen eingefroren werden, um nach einer bestimmten Zeit wiederzuerwachen, aufzubrechen in ein Leben, das dann durch ein Wiedereinfrieren abermals unterbrochen wird. Ein ständiger Kreislauf, ein Streben ohne Sinn, Gleichförmigkeit statt Einzigartigkeit. „Dieses Kreisen ohne Ziel wird uns keine Zukunft schenken“, wie es im Libretto heißt. In seiner Fantasie gelingt es dem Mann diesen Mechanismus zu durchbrechen – und er ist nicht der einzige: Er trifft eine Frau, träumt von der großen Liebe und imaginiert eine romantische Liebesnacht, aus der ein Kind hervorgeht. Für mich geht es darum, eben diese Geschichte zu erzählen, denn sie ist vor allem eines: menschlich. Es geht um menschliche Grundbedürfnisse wie den Drang frei entscheiden und selbstbestimmt handeln zu können und sich dabei immerwährend auseinanderzusetzen mit dem Gegenüber, der Gesellschaft, der Welt, aber auch um die große Sehnsucht nach Liebe, nach Geborgensein, nach Körperlichkeit, die im Liebesakt ihre vollkommenste Erfüllung findet. Die “neuen Füße“, die Du ansprichst, betreffen nur das auslösende Moment der Geschichte: Warum überhaupt flüchtet der Protagonist in eine Fantasiewelt (in der er, wie sich herausstellen wird, vielmehr er selbst sein kann als in der “Realität“)? Ich habe mich gefragt, woher kommt das Gefühl der Gleichförmigkeit, der Fremdbestimmtheit, das dieser Mann unbedingt überwinden will. Die Antwort drängte sich förmlich auf: aus dem Arbeitsalltag. Daher habe ich mich entschieden, diese Geschichte “am Arbeitsplatz“ zu erzählen. Dieser Mann definiert sich ausschließlich über seinen Beruf, wir wissen nicht, ob er sein Büro jemals verlässt, er scheint an diesem Ort verwurzelt zu sein. Ein Leitspruch der Firma könnte lauten: „Wer in der Arbeit versagt, dem gelingt auch in der Liebe nichts.“ Man spürt den Druck der Leistungsgesellschaft, der wir ja alle, in welcher Form auch immer, ausgesetzt sind. Da ist es jedem nur zu wünschen, dass sich eines Tages die Fantasie Bahn bricht.

Wulf Berk:

Die Personen agieren weitgehend isoliert in ihrer “Kältebox”. Wie kommt Bewegung ins Spiel, damit diese Statik aufgehoben wird?

Corinna Tetzel:

Ein wichtiger Teil meiner Arbeit ist das Beobachten von Menschen in unterschiedlichen Situationen. Die Situation, die in der “Entfrorenen Zukunft“ geschildert wird, ist eine Extremsituation. Ein Mann in totaler Vereinzelung, umgegeben von einer virtuellen Welt, in der keine sinnliche Erfahrung möglich ist. Ich möchte durch meine Inszenierung den Zuschauer dazu ermutigen, genauer hinzusehen, ihm durch szenische Fokussierung die Möglichkeit geben, Figuren (und ihre Verhältnisse) zu hinterfragen, anregen, sich in sie hineinzuversetzen oder sich von ihnen zu distanzieren. Ist die Neugier geweckt, ist bei diesem Prozess sehr viel Bewegung im Spiel, denn es gibt unendlich viel zu entdecken.

Wulf Berk:

Andrea Lorenzo Scartazzini fragt in diesem Zusammenhang „(…) Ich wäre gespannt, inwiefern die szenische Umsetzung andere Schwerpunkte setzt, man nimmt durch die Beamer-Projektionen das Geschehen ja schon quasi als szenisch wahr?”

Corinna Tetzel:

Herr Scartazzini spricht hier einen wichtigen Punkt an. Neben der Vorgabe, dass die instrumentale Partitur per Computer gesteuert wird und digital erklingt, gehören auch die von Konstantin Gaßmann gestalteten Videoanimationen zum festen Bestandteil der Oper. Die Sänger nehmen darauf Bezug und entwickeln auf der Grundlage dieser Bilder ihre Geschichte: Beamer-Projektionen als Illustrierung des Gesagten. Das ist allerdings kein dramatischer sondern ein epischer Vorgang: Die Sänger verkörpern keine Figuren, sondern beschreiben sie nur, die Animationen schaffen keinen Raum, in dem sich die Figuren bewegen könnten, sondern verweisen nur auf ihn. Es bleibt die Distanz des Sängers zu seiner Rolle. Die Herausforderung besteht nun darin, dieses „beschreiben“, das „Sprechen über“ in eine musikdramatische Handlung, in eine unmittelbare Aktion zu überführen. Das gelingt, indem man den (Denk)-Prozess des Erfindens der Geschichte sowie des In-Kontakt-Tretens als weitere Ebene miteinbezieht, denn das ist ein performativer Akt, der auf der Bühne darstellbar ist. Wir erleben also, wie der Mann in einer Art Chat einer Frau begegnet, welche Missverständnisse diese Kommunikation (die eben über den Austausch der Videoanimationen funktioniert) beinhaltet und wie sie damit umgehen; wie beide schließlich in der Geschichte über eine “Entfrorene Zukunft“ zusammenfinden.

Wulf Berk:

Welche Ideen werden ins Spiel gebracht, um dem Spannungsbogen auf den Höhepunkt zu führen.

Corinna Tetzel:

Darüber schweige ich mich aus. Denn Spannung besteht ja nicht unwesentlich aus dem Moment der Überraschung.

]]>